
Immer öfter wird von der Epidemie der Einsamkeit gesprochen, und über die Probleme, dass wir immer mehr vereinsamen. Ein gutes Buch, das dieses Thema auch behandelt ist „Anatomie der Einsamkeit“ von Teal Swan. Ein anderes Wort, das ich statt Einsamkeit gerne verwende, ist Entfremdung oder Entwurzelung.
Ich kann mich gut in dieses Gefühl hineinversetzen. Lange Zeit habe ich nach Verbundenheit gesucht, ohne zu merken, dass ich an den falschen Orten danach suchte. Ich bin um die Welt gereist, habe in anderen Kulturen oder anderen Menschen danach gesucht.
Ich war entwurzelt. Ich war eine Wandernde. War wie ein Blatt im Wind. Ständig auf der Suche. Ständig dabei, mein Zuhause entweder bei jemand anderem zu suchen oder aufzubauen, oder so dass ich es jederzeit verlassen konnte, weil es ja sowieso nicht ganz ideal war.
Ich war eine Nomadin im Herzen, ohne wirklich zu verstehen was es bedeutet. Gleichzeitig hatte ich ständig Sehnsucht nach Wurzeln, nach Verbindung, nach Familie.
Die Fata Morgana
Für alle, die auf der Suche nach Verbindung sind, ist das Internet extrem verlockend. Es vermittelt die Vorstellung, dass wir uns ein virtuelles Zuhause aufbauen können, das wir überallhin mitnehmen können. Es vermittelt die Illusion von Verbundenheit. Aber was es eigentlich tut ist, dass es uns beschäftigt hält, und eine Oase in der Wüste zeigt, die dort gar nicht existiert.
Und solange wir nicht erkennen, dass es sich um eine Fata Morgana, eine Illusion, handelt, denken wir, dass wir nur weiterhin uns mit all diesen virtuellen Dingen beschäftigen müssen. Dann verdrängen wir lieber dieses vage Gefühl, dass etwas nicht ganz stimmt.
Aber ich habe erlebt, dass es auch anders geht.
Die Oase
Zu Beginn waren es nur kurze Momente, in denen ich die tatsächliche Oase gefunden hatte. Als ich in die Wildnis ging war ich an einem Ort, wo ich einfach da war und Sein konnte. Mich öffnen konnte. Wahre Verbindungen knüpfen konnte. Es erleben konnte, wie es sich wirklich anfühlen kann, ganz tief in jeder Zelle meines Körpers wirklich verbunden zu sein mit allem um mich herum. Da war keine Suche mehr, keine Einsamkeit, keine Leere.
Aber es hielt nicht lange an. Es war eine temporäre Erscheinung. Ein spezieller Moment, der mir geschenkt wurde, um mir zu zeigen, was eigentlich möglich und natürlich und gesund war.
Die Frage war nun nicht mehr, was mir eigentlich fehlte, sondern wie ich mehr davon in mein Leben einladen konnte.
Wähle deine Umgebung
Wenn wir etwa Rudeltiere wie Wölfe beobachten, sind der Ort und die dazugehörige Landschaft ausschlaggebend, wie sich ihre Kultur, ihr Verhalten und ihre Dynamik entwickelt.
Das Gleiche gilt auch für uns Menschen. Nicht nur die Menschen um uns herum, sondern auch unsere physische Umgebung prägt einen großen Teil dessen, wer wir sind. Daher ist es natürlich schon relevant, welchen Ort wir wählen um uns zu verwurzeln.
Wenn wir aber ewig auf der Suche bleiben, und unsere Umgebung ständig verändern, tragen wir dieses Gefühl der Entwurzelung immer weiter. Wir merken gar nicht, was um uns herum geschieht. Wir bemerken nicht, was sich verändert, oder auch gleich bleibt. Wir können keine Beziehung aufbauen zu den Lebewesen mit denen wir unseren Platz auf dieser Erde teilen. Und wir merken nicht, dass wir auf der Suche nach dem perfekten Ort all die Orte die „gut genug“ sind, nicht sehen.
Denn den perfekten Ort gibt es nicht. Erst wenn wir uns für einen Platz entscheiden, können wir ihn zum perfekten Ort machen.
Wurzeln schlagen
Im Deutschen ist es oft negativ konnotiert, wenn wir irgendwo Wurzeln schlagen. Es ist gleichbedeutend mit Stillstand oder Stagnation.
Was aber, wenn uns sämtliche Wurzeln fehlen, und wir wie Blätter im Wind durchs Leben fliegen?
Je weniger wir wirklich verwurzelt sind, desto mehr lassen wir uns von anderen beeinflussen und manipulieren. Dann fehlt eine innere Erdung, was zu Angst, Unsicherheit und eben Einsamkeit führt.
Wenn wir aber uns erlauben, an einem Platz wirklich anzukommen, wirklich Wurzeln zu schlagen (im besten Sinne des Wortes), dann kann und das helfen, zu erkennen, dass wir nie wirklich alleine waren, und uns somit nicht einsam fühlen müssen. Dass wir immer verbunden sind, auch wenn wir es gerade nicht bemerken.
Und wenn wenn wir uns dieses Gefühl der Verbundenheit, dieses Sein in der Oase immer wieder bewusst machen, dann vergeht damit nicht nur die Einsamkeit. Es liefert uns auch ein tiefes Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens, was uns wiederum erlaubt, uns weiter für die Verbundenheit zu öffnen.
Dann erkennen wir auch mehr und mehr unser wahres Selbst und können in unseren Bedürfnissen und auf unserem Weg nicht so leicht erschüttert werden.
Naturkloster
Nun, mein Projekt, das als Tiny House Village-Idee begonnen hat, und nun wohl eher ein Naturkloster wird, ist ein erster Versuch, einen solchen Raum zu schaffen. Viele Schritte beim Bauen habe ich bewusst getan, um Beziehung aufzubauen. Beziehung mit dem Land, den Lebewesen, die bereits hier leben, aber auch Beziehung mit den neu hinzugekommenen Materialien und Bauwerken und den Menschen, die mir dabei geholfen haben, diese zu errichten.
Jeder Schritt, egal wie klein oder groß, ist eine weitere kleine Wurzel, die wächst. Jedes Mal, wenn ich eine Frucht ernte, das Gras schneide, einen Holzstapel entferne, weil ein neuer Teil eines Bauwerks entsteht. Sogar jedes Mal wenn ich einfach nur durch den Garten gehe ist es eine kleine Wurzel die wächst. Ich baue eine Beziehung, eine Verbindung mit diesem Fleckchen Erde auf, für das ich die Pflege übernommen habe. Und mit jeder dieser Aktionen fühle ich mich weniger einsam, weil ich Teil dieser Gemeinschaft an Lebewesen um mich herum bin.