Selbständigkeit ist der Tod der Begeisterung

Seit 2018 bin ich Selbständig. Wirklich so fühlen tue ich mich aber erst seit wahrscheinlich 1-2 Jahren. Und seitdem erkenne ich auch langsam immer mehr, wie meine Begeisterung, mit der ich ursprünglich in die Sache hineingegangen bin gestorben ist in dem Moment, wo ich etwas draus machen wollte. Wo es nicht mehr ausgereicht hat, dass ich Freude daran hab, etwas zu tun, sondern wo es einem Zweck dienen sollte. Wo es Geld machen sollte. Wo es potentielle Kunden anziehen sollte. Kurz, wo ich es nicht mehr für mich gemacht habe.

Künstler oder Entrepreneur

Tad Hargrave hat die Beobachtung aufgestellt, dass wir als Selbständige herausfinden müssen, wo auf dem Spektrum zwischen Künstler und Entrepreneur wir uns befinden. Im Grunde dem Spektrum zwischen Kreativität und zielgerichtetem Pragmatismus. Und es ist eine sehr wichtige Erkenntnis.

Inzwischen glaube ich aber, dass wir meist entweder den einen oder den anderen Anteil in uns leben, und den jeweils anderen verdrängen und ablehnen. Dass wir meinen, dass es eine entweder-oder-Frage ist. Dass wir das eine aufgeben müssen, wenn wir uns mehr in die andere Richtung bewegen.

Beide Seiten kennenlernen

Vielleicht ist es das verflixte siebte Jahr, vielleicht ist es einfach nur Zufall, vielleicht ist es was völlig anderes, aber ich merke immer mehr, dass wir mit beiden „extremen“ Frieden schließen müssen, wenn wir nachhaltig zufrieden selbständig sein wollen. Und dazu gilt es, die beiden Seiten mal kennenzulernen. Das bedeutet auch, unsere inneren Widerstände anzuschauen.

Wer verkauft was?

Am Markt und auch beim „ver“markten (Marketing) ist im Grunde immer die Frage, was bieten wir an, und was verkaufen wir eigentlich? Dabei ist es gar nicht so relevant, wer es dann kauft. Es ist viel mehr die Frage wer wir sind, und zu wem wir werden, je nachdem was wir verkaufen und wie wir es verkaufen. Und ob es ums verkaufen, verscherbeln oder ums anbieten geht.

Man mag mich als Wortklauberin bezeichnen, aber es liegt eine unterschiedliche Energie dahinter, ob jemand etwas verkaufen will, ob jemand etwas anbieten will, oder ob jemand eigentlich nur sein/ihr Ding machen und damit in Ruhe gelassen werden will.

Wenn wir verkaufen wollen, fühlt es sich oft so an, als wollten wir eigentlich den anderen reinlegen und ihm das Geld aus der Tasche ziehen, und ihm irgendwas geben, damit er nicht sofort merkt, dass er eigentlich über den Tisch gezogen wurde.

Wenn wir nur unser Ding machen wollen, sind wir eigentlich gefangen im Stadium eines kleinen Kindes, das noch nicht begriffen hat, dass sich die Welt nicht nur um uns dreht, und nicht alle Menschen (stellvertretend für unsere Eltern) da sind, um uns zu dienen.

Wenn wir aber an den Punkt kommen, wo wir etwas anbieten können, als Beitrag fürs Gemeinwohl, und auch den Wert dieses Beitrags kennen (der unabhängig von unserem eigenen Wert als Mensch ist), dann hört der innere Kampf auf.

Wo ist die Begeisterung?

Begonnen hatte ich meinen Weg in der Begeisterung. Ich habe Kurse besucht, die mir neue Wege aufgezeigt haben und mich mit Menschen verbunden haben, die auch ihren Weg gehen. Ich habe unter anderem begonnen, Projekte zu starten (z.B. mir einen Container zu kaufen und ihn auszubauen) und darüber zu bloggen. Da war ganz viel Begeisterung, aber ich hab es nur für mich getan. Ich habe meine Schriften zwar veröffentlicht, aber ich habe nicht wirklich daran gedacht, dass ich damit jemanden erreichen muss. Es war ein Angebot. Ein Geschenk, ohne zu wissen, was ich tat.

Dann wurde mir auf Basis dieses blogs der Auftrag angeboten, für einen größeren Blog Gastbeiträge zu schreiben, wofür ich auch entlohnt wurde. Und zu Beginn war die Begeisterung noch groß. Aber mit den Jahren wurde es immer mehr zu einem Zwang. Ich musste abliefern. Die Begeisterung war weg.

Irgendwann in dieser Zeit wagte ich auch den Schritt in meine Selbständigkeit. Und plötzlich war die große Frage da, wie ich Geld machen konnte, um von meinen Angeboten auch finanziell leben zu können. Ich folgte dem Narrativ, dass es dazu notwendig ist, mich zu verkaufen. Ich folgte dem manipulativen Marketing in den Kaninchenbau und wurde immer angespannter, immer fokussierter auf „verkaufen“ und wie ich „mich“ vermarkten konnte.

Und die Neugierde, all das zu lernen und wirklich zu verstehen hat mich angetrieben. Sie war es, die mir die Kraft gab, nicht aufzugeben und daran zu Glauben, dass dieser Weg möglich sein muss – aber vielleicht auf eine etwas andere Art. Sie war eine wichtige Kraft, aber auch sie alleine hält nicht ewig. Es braucht auch die Begeisterung. Aber die war schon lange verschwunden, auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte.

Was mich aber schlussendlich gerettet hat, war meine absolute Hingabe an die Quelle, das Göttliche, das Universum, die größere Kraft, oder wie auch immer du es nennen magst. Durch diese Hingabe musste ich radikal ehrlich hinschauen. Musste ich erkennen, wo ich überall „falsch“ abgebogen war. Und ich musste erkennen, dass ich diese kindliche Begeisterung brauche, weil sie es ermöglicht, dass Liebe und Schönheit fließen können.

Ich brauchte aber auch all diese Umwege, um auch immer mehr meinen Wert zu kennen. Aber nicht, um durch meinen Wert zu wissen, um welchen Preis ich mich verkaufe, sondern meinen inneren Wert zu kennen, dass ich mich niemals verkaufen darf. Und dass es aber wichtig ist, erwachsen zu werden, und meinen Beitrag zu leisten. Meine Angebote auszubreiten und nicht mehr zu verstecken.

Jetzt kann die Begeisterung wiederkommen, aber sie ist nicht nur mit der Neugierde gepaart, sondern auch mit meinem inneren Wert und der Hingabe an meine Aufgabe in diesem Leben.

Schreiben als würde es niemand lesen

Viele Jahre habe ich jetzt meinen Blog nur sehr sporadisch erweitert. Ich habe viel geschrieben, aber einen Großteil davon nicht veröffentlicht, weil dann diverse Gedanken kamen, die mich davon abhielten. Entweder war es die Angst, dass es nicht aufpoliert genug ist, dass es nicht schön genug aussieht, oder die Angst, dass der Text selbst nicht professionell genug ist, oder dass dann Menschen dies oder das von mir denken und dann nicht mit mir arbeiten wollen. Oder es war einfach nur der Gedanke, dass es ja eh niemanden interessiert, was ich hier schreibe.

All diese Gedanken waren zu Beginn meines bloggens nicht vorhanden. Ich war einfach nur der Begeisterung gefolgt, und es musste keinen weiteren Zweck erfüllen.

Und jetzt? Jetzt starte ich einen neuen Versuch. Ich werde schreiben, als würde es niemand lesen. Und gleichzeitig schreibe ich, als könnte es die ganze Welt verändern. Weil ich weiß, dass wenn ich schreibe, und es teile – also anbiete – es MEINE Welt verändert. Das es mir hilft, meinen inneren Wert immer tiefer zu erkennen, damit ich nicht mehr in die Falle tappe, jemals wieder irgendwem irgendwas verkaufen zu wollen oder zu müssen. Aber auch nicht auf der anderen Seite zu landen, und als Märtyrer zu enden und mich dabei völlig selbst aufzuopfern für andere, oder am Ende mich doch wieder zu verstecken.

Erwachsene Selbständigkeit

Selbständigkeit muss also nicht der Tod der Begeisterung sein. Besser gesagt: Es ist die besondere Aufgabe einer nachhaltigen Selbständigkeit, die Begeisterung entweder nie zu verlieren, oder immer wieder zu ihr zurück zu finden, und dennoch nicht den eigenen Wert, den inneren Frieden und somit das, worum es wirklich geht aus den Augen zu verlieren. Denn auch die Selbständigkeit (genauso wie eine Anstellung oder ein völlig anderer Lebensweg) sind im Grunde trotzdem nur der externe Ausdruck unserer inneren Welt. Und es ist Zeit, erwachsen zu werden.

Selbständigkeit ist der Tod der Begeisterung
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