Wunden und Vertrauen

„Wie kann ich jemals jemandem vertrauen, wenn ich betrogen worden bin?“ Das ist eine Frage, die wir uns alle irgendwann im Leben stellen. Entweder bewusst oder unbewusst. Und wie ich beobachtet habe, hat diese Frage viele verschiedene Facetten.

Was ich bisher sehen kann, ist, dass Vertrauen, Verrat und Verletztheit nicht immer so offensichtlich sind.

Eine Geschichte…

Vor einiger Zeit habe ich diese Wunde in mir tiefer erforscht und bin zu der schmerzhaften Erkenntnis gekommen, dass ich starke Vertrauensprobleme mit Männern habe. Ich habe mich immer wieder ein wenig geöffnet, nur um darauf zu warten, dass der Mann mir bestätigt, dass ich ihm von vornherein nicht hätte vertrauen dürfen. Das wiederum gab mir die Möglichkeit, dem anderen die Schuld zu geben. Um irgendwie meine Macht zurückzubekommen.

Ich habe das Gefühl, dass dies eine große gesellschaftliche und generationenübergreifende emotionale Wunde ist. Männer, die nicht lernen, sichere Umgebungen für Frauen zu schaffen, was die Wunde auslöst, sich ständig unsicher und in höchster Alarmbereitschaft zu fühlen, und Frauen, die den Männern Fallen stellen, damit sie die Wunde spüren, nicht gut genug zu sein.

Bei einigen Männern fühlte ich mich schon sehr früh unsicher, bei anderen öffnete ich mich mehr und mehr, nur um mich noch stärker verraten zu fühlen. Der erste Schritt war also, den aktuellen Schmerz zu spüren, und das habe ich getan. Dann musste ich meinem System erlauben, sich zu integrieren und zu heilen. Aber ich bin sicher, dass noch weitere Schichten auftauchen und sich offenbaren werden.

Bei gesellschaftlicher und generationenübergreifenden emotionalen Wunden ist es schwieriger, zu dem ursprünglichen Verrat zurückzugehen. Aber wir können es einfach Schicht für Schicht angehen, wann immer sie ausgelöst werden. Bei mir geht das von meiner letzten Beziehung über frühere Beziehungen bis hin zu meiner Beziehung zu meinem Bruder und meinem Vater (eh klar!) und weiter zurück in der Ahnenreihe.

Um Aufmerksamkeit (=Liebe) konkurrieren zu müssen, anstatt dass es für uns alle reicht. Aber ich kann ihnen nicht wirklich einen Vorwurf machen, denn sie haben mit dem, was sie damals wussten, das Beste daraus gemacht. Und wie gesagt, es ist ein Teufelskreis seit Generationen.

Der Kreislauf der Heilung

Durch diesen letzten Prozess, bei dem ich tiefer in meine Verwundung hineingegangen bin, konnte ich einige Schritte zur Heilung erkennen. Die meisten von ihnen gelten auch für andere (emotionale) Wunden, aber die Beispiele konzentrieren sich auf Verrat und Vertrauensbildung.

Spüre den Schmerz

Das ist der schwierige Teil. Den Schmerz, den dieser Verrat (oder ein Verrat in der Vergangenheit) verursacht hat, tatsächlich anzuerkennen und zu fühlen. Den Körper zu beobachten, wo sich der Schmerz befindet. Ihm erlauben, uns voll einzunehmen.
Es ist wichtig zu beachten, dass emotionaler Schmerz immer mit körperlichem Schmerz in unserem Körper verbunden ist. Und all dies zu spüren ist etwas, das viele von uns verlernt haben oder es uns nicht beigebracht wurde, wie wir es richtig machen. Daher wissen wir vielleicht nicht, wie wir diesen Schritt tun sollen (und sogar, wie wir ihn anerkennen sollen). Aber hier kann die Hilfe eines Psychotherapeuten oder manchmal auch eines Lebens- und Sozialberaters Wunder bewirken, wenn du das Gefühl hast, dass du es allein nicht schaffst.

Zum ursprünglichen Verrat zurückkehren

Wenn wir uns von jemandem betrogen fühlen, ist es wichtig, darüber nachzudenken, ob diese Person tatsächlich der Verursacher ist oder ob es sich um ein Muster handelt, das ich unbewusst wiederhole, damit ich einen Verrat, der schon lange zurückliegt, identifizieren, betrachten und heilen kann. Damit will ich nicht sagen, dass der jüngste Verrat keine Wunde hinterlassen hat. Es geht vielmehr um die Frage, ob wir uns in einem Umfeld befinden, in dem wir zwangsläufig immer wieder verletzt werden.
Wie ein scharfer Gegenstand, an dem wir uns ständig die Zehen stoßen. Es kann sowohl eine alte Wunde sein, die wir aufgerissen haben, als auch eine neue. Aber wenn wir unsere Umgebung nicht beobachten und diesen Gegenstand entweder entfernen oder bewusst über ihn hinweggehen, werden wir immer wieder auf dasselbe Problem stoßen.

Sich wieder aufbauen

Dieser Teil ist in gewisser Weise der einfachste. Du hast den frustrierenden Prozess der Suche nach der Wurzel des Verrats hinter dir, du hast den Schmerz in deinem ganzen Körper gespürt. Jetzt geht es darum, ein sicheres Umfeld zu schaffen, damit der Körper und die Psyche ihre Arbeit tun können. Umgebe dich mit Menschen, bei denen du dich gut fühlst. Mit Menschen, denen du noch vertrauen kannst. Tu Dinge, die sich für dich gut anfühlen. Das kann von langen warmen Bädern bis hin zur Zubereitung einer tollen Mahlzeit reichen, die du mit viel Liebe und Sorgfalt zubereitest, oder du konzentrierst dich auf einen Teil deines Lebens, der dir in diesem Moment Freude bereitet. Ich empfehle auch immer, Zeit in der Natur zu verbringen. Beobachte die Pflanzen, die Tiere, die Felsen Leute, die Moose, die Pilze … sie können uns so viel über Resilienz lehren.

Ein neues Bild malen

Mit der Zeit kannst du sogar anfangen zu träumen und di ein Leben vorstellen, wie du es gerne hättest, anstatt das, was du in der Vergangenheit erlebt hast. Denke über all die Warnsignale nach, die du vermeiden kannst, und male dir im Kopf aus, welche Art von Umgebung du brauchst, um dich zu öffnen und wieder zu vertrauen.

Neue Wege schaffen

Nach all diesen Schritten und möglicherweise etwas Zeit, um alles zu integrieren, können wir damit beginnen, neue (positive) Erfahrungen zu machen, die diejenigen aus der Vergangenheit überschreiben werden. Dies könnte darin bestehen, eine:n Partner:in (oder vielleicht sogar mehrere) zu finden, der/die sich ebenfalls dieser angestammten Wunde zwischen den Geschlechtern bewusst ist und der/die bereit ist, dieses Vertrauen langsam gemeinsam aufzubauen. Auf beiden Seiten. So können wir nach und nach auch anderen zeigen, wie es geht.

Gibt es da draußen nicht schon Beispiele?

Du fragst dich vielleicht, warum ich das Bedürfnis hatte, dies selbst zu erforschen, anstatt nach Leuten zu suchen, die es bereits getan haben und mir zeigen könnten, wie es geht? Nun, um ehrlich zu sein, gibt es sie, aber sie haben alle sehr unterschiedliche Ansätze. Und irgendwie haben die mich nicht angesprochen.
Und da ich von Natur aus eine Entdeckerin bin, muss ich meinen eigenen persönlichen Heilungsweg herausfinden. Vor allem weil ich gerne tiefer grabe als viele andere.

Aber warum?

Warum sollte jemand all die Strapazen des Stolperns und Fallens und immer wieder Aufstehens auf sich nehmen? Wäre es nicht sinnvoller, sich den Menschen einfach nicht mehr zu öffnen?

Nein, denn es gibt eine tiefe Befriedigung, die sich einstellt, wenn wir unsere inneren Wunden heilen. Wenn wir unserem Kern immer näher kommen. Und herauszufinden, wer wir als Menschen wirklich sind. Und wie wir uns entwickeln und verändern können, WEIL wir verwundet sind.

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