
Alle sagen „geh‘ deinen Weg“, aber wo ist dieser Weg? Wer kennt ihn? Und wessen Weg ist es wirklich?
Wenn wir uns aufmachen, unseren eigenen Weg zu suchen, anstatt den Weg zu gehen, der uns aufgrund unseres Umfeldes präpariert wurde, sprießen die Meinungen darüber, was unser Weg ist wie die Schwammerl aus der Erde. Jeder und jede, „die es ja nur gut mit uns meinen“ haben ein Bild davon im Kopf, was unser Weg ist. Und wenn wir von diversen Leuten möglicherweise sogar ähnliche Geschichten hören, wo wir hingehen sollten, können wir leicht dazu verleitet werden, diesen Menschen zu glauben. Das kann aber eine der größten Fallen auf unserem Weg sein…
Wo versteckt sich die Angst?
Auf unserem Weg, unserem wilden Herz zu folgen ist ein wesentlicher Aspekt der, genauer hinzuschauen, wo die Angst sich überall versteckt. Ist Angst versteckt in der Aussage der Anderen, die „unseren Weg sehen“ und „sehen, was wir brauchen und was uns gut tun würde“, und wenn ja, wo?
Ist es die Angst des anderen, dass wir diesen Weg nicht finden, wenn nicht sie uns dorthin führen? Ist es die Angst des anderen, dass wir diesen Weg finden könnten, und dann von ihnen weggehen? Ist es ihre Angst, sich selbst einzugestehen, dass sie ihren Weg nicht kennen, und deshalb lieber bei anderen versuchen dieses unangenehme Gefühl aufzulösen? – es könnte all das und noch viel mehr sein.
Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, zu fragen, wo bei uns selbst die Angst versteckt ist. Wenn andere so eine Aussage treffen, ist da Angst, es selbst nicht zu wissen? Ist da Angst vor der generellen Ungewissheit? Angst davor, sich von anderen zu distanzieren? Oder ist da Angst zu akzeptieren, dass sie recht haben, und dass es an der Zeit ist, diesen Weg zu gehen?
Hinaustreten aus der Angstschleife
Es gibt also ganz viele Möglichkeiten, wo Angst versteckt ist, und wo es gilt, hinzuschauen. Die Angst zu erkennen und zu sehen bedeutet aber nicht, völlig hineinzukippen und in einer Angstschleife festzuhängen. Denn im Grunde geht es darum, zu erkennen, dass niemand den Weg wirklich kennt. Nicht die anderen, und auch nicht wir selbst.
Auf meinem Weg, und in Folge auf der Erforschung einiger dieser Ängste komme ich immer wieder zur gleichen Erkenntnis: Wir kennen den Weg nicht! Wir können eine Idee davon haben, was der Weg sein könnte, und in diese Richtung gehen. Es kann sogar manchmal sehr hilfreich sein, eine grobe Richtung zu haben für die man sich entschieden hat. Es ist aber wichtig, nicht zu starr daran festzuhalten, und dabei wichtige Anpassungen und „Seitenpfade“ zu übersehen. Denn was dabei rauskommt, können wir nicht wissen.
Was wir aber wissen können ist, was jetzt gerade für ein Schritt dran ist. Jetzt in dem Moment. Etwa, dass wir jetzt in dem Moment aufstehen müssen und spazieren gehen. Oder jetzt in dem Moment uns hinlegen und schlafen gehen. Oder jetzt in dem Moment etwas sagen, obwohl wir tief drin wissen, dass es nur eine Geschichte ist, die wir gerade ausagieren.
Aber niemand kennt den gesamten Weg, und das ist gut so. Und sobald wir glauben, den Weg zu kennen, sind wir schon am Holzweg. Sobald wir glauben, den Weg zu kennen, sind wir nicht mehr im Moment, und merken nicht mehr, was jetzt gerade für ein Schritt dran ist.
Vertrauen und Hingabe
Dieses Heraustreten aus allen potentiellen Angstschleifen benötigt ein tiefes Vertrauen und eine tiefe Hingabe an den Weg und an das Göttliche, die Quelle, das Universum. Ein loslassen des Ego, dass sich immer wieder aufs neue einschleichen mag, und sich auch gerne als „erleuchtet“, „erwacht“, „sehend“ oder sonst wie besonders sehen mag.
Und dieser Prozess ist wie bei der Meditation. Beim Meditieren geht es nicht darum, keine Gedanken mehr zu haben, sondern sich nicht damit zu identifizieren und in die Geschichte reinzurutschen.
Und bei der Hingabe geht es nicht darum, nie wieder ins Ego oder in die Angst zu kippen, sondern es liebevoll anzunehmen, und zu erkennen, dass das auch da ist, aber dass ich drauf vertrauen kann, dass – solange ich wirklich ehrlich zu mir selbst bin – ich mich nur um den nächsten Schritt kümmern muss. Dass ich nicht das ganze Bild schon kennen muss, um ein einzelnes Puzzleteil zu finden, das passt.
Es geht gar nicht um den Weg
Das Sprichwort „der Weg ist das Ziel“ soll uns wohl helfen, zu erkennen, dass es nicht um den Endpunkt geht, sondern um den Weg dorthin. Es führt aber lediglich dazu, dass wir sehr häufig den Weg als Ziel definieren, und somit weiterhin an einem Ziel festhalten und glauben, dass es um das Ziel (also den Weg als Ziel) geht.
Wenn wir aber erkennen, dass es gar nicht darum geht, den „richtigen“ oder „unseren“ Weg zu finden, sondern dass der Weg auch nur ein Hilfsmittel dafür ist, uns selbst zu erfahren, uns kennen zu lernen, und zu erleben, was das eigentlich alles bedeutet, wir selbst zu sein, können wir die Idee vom Ziel auch immer mehr loslassen, vertrauen und uns dem hingeben, was jetzt gerade ist.
Beziehung und wer wir sind
Aufbauend auf dem Sprichwort „der Weg ist das Ziel“ gibt es eine kleine Geschichte von James Norbury (Großer Panda und Kleiner Drache). In dieser Geschichte gibt es folgenden Ausschnitt:
„Was ist wichtiger“, fragte Großer Panda, „der Weg oder das Ziel?“ „Die Gefährten“, sagte Kleiner Drache.
Dieser kurze Austausch erinnert uns daran, dass es bei der Reise, unseren Weg zu finden, auch darum geht, wer unsere Begleiter auf unserer Reise sind. Und zwar nicht, damit sie unsere Richtung beeinflussen oder wir schneller ankommen, sondern weil sie uns im Idealfall daran erinnern, unseren Weg nicht zu verlassen.
Sie sind unsere ständigen Spiegel, um uns von allen unseren unterschiedlichen Seiten zu betrachten.
Außerdem ist es ein immenses Geschenk, Menschen um uns zu haben, die unseren Weg und unsere Reise bezeugen können. Uns erinnern können, wo wir mal waren, und wo wir jetzt sind. Aber auch wer wir mal waren, und wer wir jetzt sind.
Denn egal wo uns unser Weg hinführt und wie wir dorthin gelangen, sind das wertvollste dennoch unsere Beziehungen (zu anderen, uns selbst, unserer Umgebung und der allesumfassenden Kraft), denn sie machen uns zu dem wer wir sind.